Vom 24. Bis zum 28. August 2023 trafen sich internationale SAR-Besatzungen auf dem Marinefliegerstützpunkt Nordholz zum diesjährigen Search and Rescue-Meet. Insgesamt nahmen acht Nationen an den zahlreichen Veranstaltungen rund um die Rettungsfliegerei teil. Trotz aller fliegerischen Top-Leistungen, der Star der Veranstaltung war ein Veteran, dessen Dienstzeit sich dem Ende neigt: Die sonderlackierte Sea King Mk.41.
SAR Meet
Nach 2017 fand das SAR Meet, welches regelmäßig an unterschiedliche Standorten abgehalten wird, in diesem Jahr wieder auf dem Marinefliegerstützpunkt Nordholzin der Nähe von Cuxhaven statt. Ziel der Veranstaltung ist vor allem das Kennenlernen der Fähigkeiten sowie der unterschiedlichen Arbeitsabläufe der teilnehmenden SAR-Teams, damit Rettungseinsätze zukünftig noch effizienter und schneller durchgeführt werden können.
Das gastgebende Marienfliegergeschwader 5 konnte mit W-3A Sokol und Mi-17 aus Tschechien, NH 90 aus Belgien und SA365N3+ aus Litauen eine ganze Reihe ausländischer Teilnehmer begrüßen. Darüber hinaus nahmen beobachtende Delegationen aus Frankreich, Portugal, Zypern und den Niederlanden an den verschiedenen Veranstaltungen teil.
Als Gastgeber stellte die Deutsche Marine mit Sea King Mk. 41, Super LynxMk.88Am NH90 NTH „Sea Lion“ und einem EC-135 das größte Kontingent. Die Luftwaffe war durch eine H145M LUH vom Transporthubschrauberregiment 30 aus Niederstetten in Nordholz vertreten.
Das diesjährige Treffen erstreckte sich, inklusive An- und Abreise, über fünf Tage an denen zahlreiche, abgesehen vom Spotterday am Samstag, nicht öffentliche Veranstaltungen abgehalten wurden. Neben einem Fachsymposium, welches breitgefächert die Gegenwart und Zukunft der SAR-Fliegerei zum Thema hatte, dienten der Familientag am Samstag und das sonntägliche Brunch vor allem dem Austausch und Kennenlernen der Beteiligten.
Höhepunkt für Crews und Angehörige war der traditionelle, fliegerische Wettkampf am Freitagnachmittag. Diese Flying-Challenge bestand aus drei Teilen. Dem punkgenauen Abseilen eines Gewichts, dem präzisen Manövrieren auf engstem Raum mit einem lebensgroßen Dummy als Außenlast sowie einige anspruchsvollen Navigations-Übungen rund um den Flugplatz in Nordholz.
Das Wetter zeigte dabei von seiner nordseetypischen Seite. Ein böiger Wind wehte über das Flugfeld und trieb zahlreiche, kräftige Regenschauer vor sich her. Der Himmel war bedeckt, mitunter die Wolkenuntergrenze zum Greifen nahe.
Was nach irregulären Bedingungen für einen fairen Wettkampf klingt, war für die SAR-Crews unwesentlich mehr als ein Bonmot am Rande. So sind sie durch ihre täglichen Einsätze an schwierige Wetterlagen gewöhnt und alles andere als Schönwetterflieger.
Mit großer Souveränität manövrieren die Crews durch die ihnen gestellten Aufgaben. Insbesondere bei den Flügen von Teilnehmern des MFG kam auf deneigens aufgebauten Tribünen unter den Geschwaderangehörigen, Freunden und Verwandten der Crews Stimmung auf. Gelungene Aktionen der fliegenden Kameradinnen und Kameraden wurden jubelnd zur Kenntnis genommen. Trotz eines höchsten Maßes an Professionalität kam der Spaß beim diesjährigen SAR-Meet bei allen Beteiligten und Gästen nicht zu kurz.
Nach Auswertung der Ergebnisse wurde das tschechische Team um Oberstleutnant Petr Šafařík zum strahlenden Sieger der diesjährigen Flying Challenge gekürt.
Der Star der Veranstaltung war jedoch die sonderlackierte Sea King 89+63. AusAnlass des 50-jährigen Dienstjubiläums trägt der Helikopter ein spektakuläres Farbkleid, welches während des SAR-Meets erstmalig einem größeren Publikum präsentiert wurde.
Sea King vor Ausmusterung
Nach über einem halben Jahrhundert im Dienst der Deutschen Marine wird spätestens Mitte des kommendes Jahres mit der Sea King Mk41 ein echter Veterander Marineflieger das Ende seiner Dienstzeit erreichen.
Mit der NH90 NTH Sea Lion von Airbus steht ein leistungsstarker sowie hochmoderner Nachfolger bereit, um das erfolgreiche Erbe in der Seenotrettung anzutreten.
Der Sea King war das Arbeitstier der Marine in der Seenotrettung. In der Tat sieht man es den Maschinen ihre lange Dienstzeit mittlerweile an. Um die Legende der Marineflieger nicht zu beleidigen, möge man es Patina nennen welche die Geschichte von rund 50 Einsatzjahren erzählt.
Bereits 1969 schlossen die BRD und Westland Helicopters einen Vertrag mit einem Volumen von 220 Mio. DM (rund 112,5 Mio. Euro) über den Kauf von 22 Sea King Mk41 Mehrzweck-Transporthubschraubern als Nachfolger für den Sikorsky H-34 fürSAR Einsätze über dem deutschen Seegebiet. Schlussendlich wurden 23 Exemplare des Helikopters gebaut. Einer wurde noch während der Werkserprobung irreparabel beschädigt und diente später der technischen Ausbildung aus Sylt.
Im englischen Culdrose begannen schließlich 1972 die Umschulungskurse der ersten deutschen Crews auf der Sea King. Drei Jahre später begannen die Maschinen ihren SAR-Dienst im MFG 5 in Kiel-Holtenau, wo sämtliche Sea Kings stationiert wurden. Im Zuge der Neustrukturierung der Bundeswehr wurde das Geschwader 2012 auf den Fliegerhorst im niedersächsischen Nordholz bei Cuxhaven verlegt. Darüber hinaus operierte die Sea King während ihrer gesamten Dienstzeit von Außenstationen auf der Nordseeinsel Helgoland, in Kiel und ab Anfang der 1990er Jahre von Warnemünde an der Ostsee. Der ehemalige Stützpunktauf Borkum ist bereits seit einigen Jahren nicht mehr aktiv.
Bewaffnung/Updates/Technik
Technisch ist die Sea King für die SAR-Aufgabe prädestiniert. Sie verfügt über eine große Reichweite von über 1.500 Kilometern, besitzt Radar und Infrarotkamera, ist sehr robust und kann auch bei schlechtesten Wetterverhältnissen fliegen. Ein weiteres Plus ist ihre besondere Bauweise als amphibischer Helikopter: Rumpfform und Ausleger machen möglich, dass sie in ruhiger See landen könnte. In der Regel aber nutzt die Crew die eingebaute Rettungswinde zum Bergen von Personen. Müsste die Sea King bei schlechtem Wetter auf dem Meer notlanden, gäben Schwimmkörper ihr den nötigen zusätzlichen Auftrieb, sich über Wasser zuhalten.
Zur Bewaffnung der Sea King zählen lediglich ein 12,7 mm Maschinengewehr und der Täuschkörperwerfer AN/ALE-37/A zur Eigensicherung. Ab Ende der 1980er Jahrewurde damit begonnen, alle Sea King für die Verwendung des Lenkflugkörpers „SeaSkua“ umzurüsten. Zwar gab es im Rahmen der Erprobung einige Abschüsse, aber schlussendlich ging die Fähigkeit an den Sea Lynx über.
Im Laufe seiner Dienstzeit bekam die Sea King nur einige wesentliche Updates. Dazu gehörten stärkere Triebwerke und das Frontradar, welches eine 360 Grad Rundumsicht ermöglichte.
Statistiken
Die Sea King der Deutschen Marine war ein Arbeitstier. Davon zeugen die rund 177.000 Einsatzstunden der gesamten Flotte. Jeder Helikopter hat somit zwischen 7.000 und 10.000 Stunden in der Luft verbracht.
Zu Buche stehen beeindruckende gut 17.200 SAR-Einsätze. Häufig wurde einzelnen Personen oder kleineren Gruppen Hilfe geleistet. Mitunter unterstütze die SeaKing auch bei größeren Einsätzen. So zum Beispiel bei den Hochwasserkatastrophen an Oder und Elbe oder bei Schiffsunglücken wie der des Holzfrachters „Pallas“1998 vor Sylt sowie der Fähre „Lisco Gloria“ in der Ostsee 2010. Nach der Tsunami-Katastrophe an Weihnachten 2004 leistete das MFG mit den Sea King Erste Hilfe im indonesischen Sumatra. Insgesamt wurden mithilfe des Mk 41 und seiner Crews über die Jahre rund 12.000 Menschen gerettet bzw wurde ihnen dringende Hilfe geleistet.
Hauptaufgabe der Sea King war der SAR-Einsatz über See. Darüber hinausfungierte sie jedoch auch als Bordhelikopter und Truppen-/Materialtransporter. So unterstütze der Helikopter die bewaffneten Verbände unter anderem während des ersten Golfkriegs, der Antiterror Mission der UN „Enduring Freedom“ oder beim Kampf gegen Piraten während der Operation ATALANTA am Horn von Afrika.
Stand September 2023 sind noch 5 Sea King im Betrieb, von denen regelmäßig 2-3 im tatsächlichen Flugdienst befinden. Es sind die letzten Wochen der SAR-Legende im aktiven Dienst. Denn mit dem Sea Lion steht der Nachfolger nach jahrelangen Verzögerungen bereit, die Such- und Rettungsaufgaben in Gesamtheit zu übernehmen.
NH90 NTH „Sea Lion“
Ende Januar 2023 erhielt das MFG5 den letzten der 18 bei Airbus bestellten NH90 NTH (Naval Transport Helicopter) Mehrzweckhubschrauber. Seit Anfang Juli schließlich, und somit rund vier Jahre nach der Lieferung des ersten Exemplars, übernehmen die ersten Sea Lion SAR-Aufgaben. Zunächst noch im Parallelbetrieb mit den Sea King, doch spätestens Ende des Jahres soll der NH90 auf sich gestellt sein.
Langer Weg
Die Einführung des Sea Lions kommt deutlich später als ursprünglich geplant. Denn wie alle Muster der NH-90-Familie hatte und hat auch der Sea Lion mit verschiedenen Problemen und einen dadurch niedrigen Klarstand zu kämpfen.
Hauptursache für die Verzögerungen ist prinzipiell nicht die Technik des NH90. Vielmehr waren die sehr aufwändigen Wartungs- und Inspektionssysteme, ein gewisser Mangel an Ersatzteilen sowie die laufenden Umrüstungen zur Vereinheitlichung der Konstruktionsstände Kern des Übels.
Airbus sowie die Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr haben in den zurückliegenden Monaten durch verschiedene Maßnahmen positiv zu bewertende Schritte unternommen die Lage zu verbessern, bis zum angestrebten Klarstand von 60% wird sicherlich dennoch einige Zeit über die Nordsee ziehen.
Schritt in die Zukunft
Trotz aller Problematiken ist der Sea Lion ein zukunftsorientiertes System,welches software- und modultechnisch deutliche Fortschritte gegenüber des SeaKings aufweist. Durch die neue, hochmoderne Ausstattung erreicht der NH90 einen erheblichen operationellen Vorteil gegenüber seiner Vorgängerin. Auch und vorallem bei schlechtem Wetter. Dabei kann man die Genauigkeit und Nutzbarkeit von Radar, Infrarot und Tageslichtkamera nennen sowie weitere Systeme welche die Erkennung und Wahrnehmung von anderen Luftfahrzeugen im Luftraum ermöglichen . Die NH90 hat einen deutlichen Leistungsvorteil, der sich gegenüber der Sea King auch in der Nutzlast widerspiegelt.
Von den Crews wird explizit erwähnt, dass das neue Leistungsprofil ein deutlicher Fortschritt ist. So ergeben sich aus der Leistung des NH90 deutliche Verbesserungen im Bereich Not-Verfahren, längere Durchhaltefähigkeit auch im beladenen Zustand sowie der Agilität.
Auch wenn für viele Luftfahrt-Enthusiasten die Sea King das deutlich coolere Fluggerät ist, so ist die Ablösung des Königs durch die Sea Lion nach einem halben Jahrhundert mehr als überfällig. Mit dem NH 90 TTH erhält die Deutsche Marine einen hochmodernen Helikopter, welcher den Herausforderungen des Alltags im SAR-Dienst mehr als gerecht wird und die Seenotrettung der Marine zukunftsfähig macht.